All inclusive

Kennt ihr Macon Leary? Wie jetzt? Ihr wisst nicht, wer das ist? Habt nie von ihm gehört? Nicht euer Ernst oder?

Dann wisst ihr ja auch nicht, wer Muriel ist. Ach je, da erblasse ich vor Neid, denn dann habt ihr es noch vor euch. Mr Macon Leary ist eine der so zahlreichen skurrilen Figuren von Anne Tyler. Fast möchte ich sagen: die Illustreste von allen. Macon lebt in Baltimore und schreibt Reiseführer für reiseunwillige Geschäftsleute.

Die Tragik seines Lebens: Sein 12jähriger Sohn wurde bei einem Überfall ermordet, woraufhin seine Frau Sarah ihn verlässt. Macon und seine Tage stehen kopf. Er wird sich bewusst, was war, was ist und nicht mehr sein kann. Erst lässt er sich tief hineinfallen in seine zutiefst ordnungs- und effienzsüchtige Art, dem Leben standzuhalten, indem er es wegdrängt, dann gibt er auf, kriecht bei seiner Schwester und den Brüdern unter und dann? Dann kommt Muriel ihm ihn die Quere. Muriel ist das Gegenteil von Macon. Man könnte sagen, sie stöckelt durchs Leben, stolpert, wischt sich den Dreck von den Knien, zieht sich die Netzstrumpfhose hoch und hält dabei der Nachbarin die Tür auf – na ja, so ungefähr. Und dann ist da noch Sarah. Sarah, die Halt braucht. Egal von wem oder von was.

Anne Tyler stellt die Unterschiede zwischen Männern und Frauen für uns so scharf, dass uns die Erkenntnisse wie Schuppen aus den Haaren fallen. Und sie liebt sie alle. Ist eine/r besser oder schlechter? Nö. Nur anders bunt und sowieso alle nur gemeinsam lebensfähig.

Wenn ihr den Möglichkeiten von Literatur auf den Zahn fühlen wollt, kommt ihr an Mr Leary quasi nicht vorbei. „Die Reisen des Mr Leary“ sind all inclusive: Unterhaltung, Witz, bunte Bilder, schlaue Zitate und obendrauf und mittendrin Lebensklugheit. Solch eine Lebensklugheit. Anne Tyler ist eine von den ganz Großen. Wenn nicht die Größte.

Anne Tyler. Die Reisen des Mr Leary
Aus dem Amerikanischen von Andrea Baumrucker
Kein & Aber
ISBN 978-3-0369-5713-5