Grandioser Ritt
Ups! Was war das denn? Äh!! Welcher Tag ist heute? Wo bin ich? Wartet kurz, ich muss mir eben das Haar föhnen und ein Glas Wasser trinken, damit ich nach diesem turbulenten Tauchgang wieder Luft und einen klaren Kopf bekomme.
So. Jetzt aber: Also Mel, eigentlich Melanie, gerade 50 geworden, stellvertretende Chefredakteurin, geschieden, eine Tochter, wütet wie ein Derwisch gegen alles, was ihr kurz vor ihrer zu befürchtenden Unsichtbarkeit der Wechseljahre entgegentritt. Überall sieht sie sich reduziert auf ihr Alter, ihr Frausein und ihre schwindende Konkurrenzfähigkeit auf der mit wahlweise jugendlicher Zielstrebig- oder männlicher Breitbeinigkeit bevölkerten Bühne der Münchener Kunst- und Medienwelt.
Und das, obwohl sie, wie gewünscht, brav Prada-Brille und Oscar de la Renta-Kleidchen trägt, selbst gekauft und verdient, weil: sie darf das, denn sie steht weit oben auf der Karriereleiter. Dazu dann noch diese Tochter, der nichts Besseres einfällt, als platterdings das hausfrauliche Gegenmodell zum Erfolg der Mutter zu wählen. Von der tuttigen Welt der Starnberger See-Schwester mal ganz zu schweigen. Mel fasst es nicht und schreit es raus. Nicht diplomatisch, nein, unverpackt.
Das geht schief. Klar. Doch kurz bevor ihr und mir die Luft endgültig ausgeht, kommt das Leben zurück. Und dann? Zwei Gartenliegen, Abendsonne, Hundsrosen. Verdammt nochmal, Mel! Das wäre ja auch noch schöner gewesen und schade um all die verschwendete Lebensenergie.
Ein ziemlich grandioser Ritt durch die sprichwörtliche Walpurgisnacht im ironischen Blitzlichtgewitter von Caroline Rosales, die gezielt da draufhält, wo es hakt bei der Gleichberechtigung der Geschlechter. Da kann sich keiner wegducken. Auch die Frauen nicht. Deswegen müssen es alle lesen. Das ist doch ganz einfach. Oder etwa nicht?
Caroline Rosales. Das Leben keiner Frau
Ullstein
ISBN 978-3-550-20163-9
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