Literarischer Gaumenschmaus

Weißer Reis mit Butter und Sojasoße. Eine feine, luftige Erdbeermousse. Eine Marinade aus Weißbrot, Koriander und Orangenschale. Klingt das gut?

Asako Yuzuki serviert uns die Gerichte so kunstvoll auf dem literarischen Tablett, dass man zeitweise nicht weiß, ob man liest oder isst. War die Butter auf der Zunge, ist der Reis den Gaumen hinunter gewandert, hat das Aroma der Kräuter den Magen belebt? Oder waren es die Worte, die diesen Genuss so intensiv heraufbeschworen haben?

Asako Yuzuki weiß genau, wie sie unter die Haut ihrer LeserInnen kommt und weil sie uns vorführt, wie genau sie das weiß, ist es natürlich kein Zufall, dass ihre Figuren dagegen allesamt unklare Konturen haben. Wie papierene Marionetten gleiten sie, zart und zerbrechlich, aneinander vorbei, tasten sich ab, touchieren sich auch hier und da, doch nah, wirklich nah kommen sie weder sich noch den LeserInnen.

Rika, die Protagonistin, ist Journalistin und hat sich in den Kopf gesetzt, das Geheimnis der wegen mehrfachen Mordes im Gefängnis sitzenden Manako Kajii zutage zu fördern. Manako willigt nur unter der Bedingung ein, dass es im Gespräch einzig um ihre Leidenschaft, das Kochen, geht. Reiko, die darunter leidet, nicht schwanger zu werden, und sich mit dem Thema Essen bestens auskennt, springt ihrer Freundin Rika hilfsbereit zur Seite, mischt sich aus Langeweile und Frustration aber so sehr in deren Arbeit ein, dass sie selbst in Gefahr gerät. Für Makoto, Rikas Freund, ist die Beziehung zu Rika wie eine Insel der Erholung, auf die er sich flüchtet, wenn er zu erschöpft ist von seinem in Arbeit und Leistungsdenken festgefahrenen Leben. Herr Shinoi, ein Kollege, versorgt Rika mit Informationen, doch warum weiß weder sie noch er, der nach der Trennung von Frau und Tochter die ehemals gemeinsame Wohnung nicht aufgeben kann, auch wenn er nie dort ist.

Flüchtige Gedanken, unklare Beziehungen, diffuse Wünsche. Menschen hinter Glas. Am Ende treffen sich alle in Shinois leerer Wohnung, in der vormals ein Leben stattfand, und nun ein blank geputzter Ort ist für die, die nicht wissen, wie das geht, das Leben, es aber lernen wollen. Und Manako Kajii? Wie ein Kobold spielt sie ihr eigenes Spiel, lugt naseweis hinter Ecken hervor, dreht sich nach dem Wind und bleibt am Ende lebenslang hinter Gittern.

Was für eine Schlingertour durch die japanische Gesellschaft! Wie auf einer gefetteten Rutschbahn bin ich durch dieses unwegsame Buch geschlittert, kein Geländer weit und breit, kein Stoppschalter nirgends. Das kalte Glas, hinter dem diese illustre Gesellschaft ihr Stelldichein gefeiert hat, hat mir den kühlen Kopf bewahrt, doch in den Himmel befördert hat mich das tiefe Aroma zartschmelzender Butter. Sehr nah, sehr fremd.

 

Asako Yuzuki. Butter
Aus dem Japanischen übersetzt von Ursula Gräfe
Blumenbar
ISBN 9783351050986

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