Kein Vater nirgends

Es gibt Bücher, die müssen sich an ihren Titeln regelrecht vorbeimogeln und dann auf Glück hoffen. Die Armen, wo sie es doch in dem Gewimmel des Literaturbetriebes ohnehin so schwer haben.

Ich lasse mir „Brüste und Eier“ auf der Zunge zergehen, stelle mir die LeserInnen vor, die darauf anspringen und denke erstens: Möchte ich das? und zweitens: Bin ich das?

Beide Fragen kann ich mit einem klaren Nein beantworten. Tja, und da haben wir den Salat: Das Buch war super! Doch wenn ich die Leserin wäre, die mir bei dem Titel in den Kopf kommt, hätte es mir nicht gefallen.

Natsuko Natsume hat ihre Kindheit in der schäbigen Bar verbracht, in der ihre Mutter für den Lebensunterhalt der Familie sorgen musste, sie hat sorgsam auf ihre Schulsachen achtgegeben, ist nach dem Tod von Mutter und Großmutter von Osaka nach Tokyo geflüchtet, wo sie weiterhin am Existenzminimum lebt, um Schriftstellerin zu werden. Ihre Schwester Makiko bleibt in Osaka zurück und versucht sich und ihre Tochter mit einem Job als Hostess in einer Bar durchzubringen. Sie sieht ihre Jugendlichkeit schwinden und träumt geradezu fanatisch von einer Brustvergrößerung, der die pubertierende Tochter mit monatelangem Schweigen entgegentritt.

Nachdem Natsuko Natsume endlich von ihrem Schreiben leben kann, ohne jedoch wirklich Erfolg zu haben, macht sich in ihr mehr und mehr der Wunsch nach einem Kind breit. Ihrem Kind. Doch das ist ein Problem. Denn Natsuko Natsume, die erzählende Einzelgängerin, ist asexuell, was sie früh erkennt und für sie kein Drama, sondern eine schlichte Erkenntnis, aber dann auch eine Hürde ist.

Weibliche Körpererfahrungen spielen in Mieko Kawakamis detailreichem Porträt der japanischen Gesellschaft eine ebenso wichtige Rolle wie ständiger Geldmangel. Ohne je voyeuristisch oder provokativ zu sein wird ein allumfassender weiblicher Blickwinkel zum eigentlichen Thema des Romans.

Mieko Kawakami, Brüste und Eier
Übersetzt von Katja Busson
Dumont Verlag
ISBN 978-3-8321-8373-8

 

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