Darf ich bitten?

Dass das Buch sich nicht eigenmächtig vom Fleck bewegt, ist eigentlich ein Wunder. Wenn es mit rechten Dingen zuginge, müssten seine Seiten aus der Reihe tanzen, der Buchrücken steppen, die Sätze Luftsprünge vollführen und die Worte Pirouetten drehen.

Keine Ahnung, wo das ganze Leben bleibt, dass zwischen diesen zwei Buchdeckeln atmet, pulsiert, läuft und hüpft.

Oder doch, ich weiß es: Es springt auf seine LeserInnen über, wirbelt sie herum, dringt in ihre Herzen ein und erhellt ihre Köpfe.

Immer hinein und mitten durch die Menge, so oder anders, egal, Hauptsache mitmachen im wilden Durcheinander der Lebensformen schwarzer Frauen in Großbritannien. Bernardine Evaristo fügt die Temperamente von Amma, Dominique, Jazz, Shirley, Carole, Bummi, Grace und anderen über Zeiten und Orte hinweg zu einer Choreografie zusammen, die nichts auslässt. Die lesbische Dramatikerin, eine ausgebrannte Lehrerin, die Reinigungskraft mit Extra-Biss, eine Investmentbankerin, eine Studentin, die Abteilungsleiterin im Supermarkt, die Blickwinkel sind so verschieden wie das Ringen mit den Vorstellungen von einem guten Leben sich ähnelt.

Evaristo haut die Charaktere und Sätze raus, verknotet sie einen mit dem anderen, als gäbe es kein Morgen und nichts zu verlieren. Was auch? Das Leben? Klar. Deshalb will es ja gepackt sein und herumgewirbelt, auf die Spitze gestellt, ins Komische gedreht und auf die Bühne gebracht für ein Publikum, das sich beschwingt in die Arme der Protagonistinnen stürzt und durch alle Höhen und Tiefen mittanzt bis die Lichter ausgehen. Gibt es irgendjemanden, der das nicht will? Nee, oder?

Bernardine Evaristo, Mädchen, Frau etc.
Übersetzt von Tanja Handels
Tropen Verlag/ Klett-Cotta
ISBN: 978-3-608-50484-2

 

 

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