Eine Andeutung von Unverschämtheit
„… und um ihre Waden wippte und schwang ihr lavendelfarbener Rock mit einer alarmierenden Andeutung von Unverschämtheit.“ – Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich? Ich will hinter diesem Rock her.
Ich will ihn fühlen, tasten, berühren, sein leises Rascheln hören, mich in seine Falten schmiegen und mitschwingen. Und dann diese Unverschämtheit! Dieser Blick von außen, der das Ganze zunichte machen, auf ein moralisches Maß zurechtstutzen will und es doch nur steigert, ihm den entscheidenden Kick gibt, diese winzig kleine Bewegung ganz und gar unwiderstehlich macht, ihr einen knieerweichenden Sex Appeal verleiht. Ich will diesem Blick Paroli bieten und auch noch den obersten Knopf der Bluse öffnen und dann lachend das Weite suchen. Gerne laut.
Ich bewundere Sylvia Plath. Punkt. Sie hat mit 20, in Worten: zwanzig, die Geschichte „Sonntag bei den Mintons“ geschrieben. Sie führt uns darin zu Elisabeth, einer nicht mehr jungen Frau, die nach der Pensionierung ihres Bruders Henry bei ihm wohnt und seinen Haushalt führt. Henry fertigt Tabellen an. Akribisch und akkurat. Er blickt auf Landkarten, vermisst die Welt und isst, was Elisabeth kocht, auch wenn es verbrannt ist. Das allerdings nicht ohne Strafpredigt.
Elisabeth denkt an etwas anderes. Immer. Sie irrlichtert durch das Leben und wenn sie Halt braucht, greift sie nach der Amethystbrosche ihrer Mutter. Wir lösen uns mit ihr so elegant vom Boden der Tatsachen, dass wir kaum bemerken, wie wir mit vom Wind gebauschten Röcken in den Olymp der Literatur aufsteigen.
Mehr will ich euch nicht verraten. Nur. Wenn ihr keine Zeit habt, um euch durch die Weltliteratur zu lesen, dann lest diese Geschichte und ihr wisst alles, was es zu wissen gibt. Über die Literatur, die Kunst, das Leben, die Liebe und den Tod und wieder die Literatur. Ihr wisst schon, eben alles.
Sylvia Plath. Zungen aus Stein
Aus dem Amerikanischen von Julia Bachstein und Susanne Levin
Frankfurter Verlagsanstalt
ISBN 3-627-10021-2
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