Ok. Pause. Mir geht grad der Kampfgeist aus. Ich brauche ein Sofa, einen kühlen Stoff auf der Haut, gepflegte Fingernägel, Schokolade in Reichweite und ein Gläschen prickelnden Alkohol. Ja. Genau. Klischee. Das will ja ohnehin nie eine gewesen sein. Also ich. An der Stelle habe ich kein Problem, an anderer schon.
Vorsicht. Ganz vorsichtig bitte. Dieser Text ist sehr zerbrechlich. Er hat so viele Risse und Bruchstellen, dass er zu zerfallen droht. Ungelenk sind die Sätze manchmal, windschief die Worte, weil Libuše Moníková Janas Stimme zu Gehör bringt. Kurz bevor sie bricht. Und kurz nachdem Jana von einem Polizisten vergewaltigt wurde und ihn in Notwehr erschlagen hat. Im Rausch der Abwehr, der Wut, dem Sturm der Erniedrigung, in der er sie zu Fall gebracht hat.
Guido Maria Kretschmer würde dieses Buch nie lesen. Er mag keine Füsse, mehr noch, er ekelt sich im Grunde ein bisschen vor ihnen. Und zugegeben, die von Herrn Hübner und ja, auch die von Tochter Noll sind nicht sonderlich appetitlich. Lange Nägel, dicke Hornhaut und der ganze fiese Rest auch.
Schade nur, dass Guido so leider auch nie Herrn Paulke kennenlernt.
Moment mal. Ganz ruhig. Hört ihr das? Dieses Buch schnurrt. Es schnurrt. Nicht wie eine Katze. Nein. Wie eine gut geölte kleine Maschine, in der die Rädchen perfekt ineinander greifen. Nirgendwo hakt es oder tropft, kein falscher Piepton oder gar ein Ruckeln. Alles tut, was es soll.
Tut es das?
Dass das Buch sich nicht eigenmächtig vom Fleck bewegt, ist eigentlich ein Wunder. Wenn es mit rechten Dingen zuginge, müssten seine Seiten aus der Reihe tanzen, der Buchrücken steppen, die Sätze Luftsprünge vollführen und die Worte Pirouetten drehen.
Keine Ahnung, wo das ganze Leben bleibt, dass zwischen diesen zwei Buchdeckeln atmet, pulsiert, läuft und hüpft.
Oder doch, ich weiß es: Es springt auf seine LeserInnen über, wirbelt sie herum, dringt in ihre Herzen ein und erhellt ihre Köpfe.
Es gibt Bücher, die wollen einem ans Leder. Da muss man sich etwas wärmer anziehen. Ihre ersten Sätze biedern sich nicht an, schmeicheln sich nicht ein und das Wort umgarnen kommt in ihren Reihen nicht vor. Mit solchen Büchern muss man es aufnehmen wollen.
Ups! Das kann man kaum glauben. 1941 erstmalig erschienen. Das ist achtzig Jahre und mehrere Generationen her. Dabei liest sich der Roman – wie soll ich sagen?
Dieses Buch hat einen Sound, da gibt es keinen Zweifel und dass es Udo Lindenberg gefällt, wundert mich nicht. Nora Gantenbrink spielt die Klaviatur sehr sicher.
Marlenes Vater ist an Aids gestorben, da war sie kaum 18. Von da an war er naturgemäß ganz weg, was jedoch zunächst nicht weiter auffiel, da er auch vorher nie da war, und das, das war das eigentliche Problem für die kleine Marlene und wurde ein noch viel größeres für die große Marlene.
Süß? Nö. Girlie? No. Ganz und gar und überhaupt und sowas von nicht. Die Geschichte ist, nun ja, sagen wir es vorsichtig, eine aus der sozial schwierigen Ecke. Der Ton? Der Ton ist der Hammer. Er ist cool. Er ist rotzig. Er ist lässig. Er hält das ganze niederschmetternde, unmögliche Leben auf Distanz, rückt es zurecht und schubst den Leser vor sich her in etwas Besseres. Keine Ahnung was, aber es ist da irgendwo, und Martha wird es finden.
So viel ist klar.