Nicht ja und nicht nein

Fatma Aydemir schaut hin, stellt scharf, geht zehn Schritte zurück, zückt ihr Messer, nein, äh, ihre Stifte und hält mit schneller, oft derber, aber mitreißender Linienführung fest, was sie sieht. Bähm!

Hüseyin, Ümit, Sevda, Peri, Hakan und Emine bekommen klare Konturen und heben sich scharf ab von ihrem Umfeld. Wie für einen Pitch gemacht kriegt man sie mit wenigen Worten zu fassen: Hüseyin, der 30 Jahre in Deutschland gearbeitet hat, um an dem Tag zu sterben, an dem sich sein Traum von einer Bleibe in Istanbul erfüllt. Ümit, der jüngste Sohn, im Geheimen sensibel und schwul. Sevda, die älteste Tochter, stark, verkannt und verstoßen. Peri, die Mittlere, die sich mit Abitur und voller Wucht dem Leben in die Arme stürzt, aber stets den Schein wahrt. Hakan, der auf der Überholspur nach Erfolg giert und nachts bei seiner Freundin Lena Schutz sucht. Emine, die mit der Vergangenheit hadert und es nicht in die Gegenwart schafft.

Die verschiedenen Perspektiven auf das Miteinander in dieser Familie machen den Roman aus. So weit, so gut, so richtig, so wichtig. Da steckt eine Moral in der Geschichte, gegen die nichts, aber auch rein gar nichts zu sagen ist, so überhaupt nichts, dass sich mir da ein kleines bis mittelschweres Problem auftut.

Ich mag Grau. Ich mag Nebel, Dunst, Schatten, Zweifel und Zwischentöne. Nicht ja und nicht nein, sondern trotzdem und aber und obwohl und doch und auch. Ich mag alles, was knirscht und strubbelt und abspringt und hakt und sich verkrümelt, ohne dass es einer mitkriegt. Schnell hat Fatma Aydemir mich mit ihrem zupackenden Ton in den Bann geschlagen und dann etwas kleinlaut zurückgelassen. So viel politische Korrektheit! Da geht mir die Luft aus.

Ich hätte ihr gern ein giftiges Grün, himmelhochjauchzendes Blau oder blindes Weiß in die Hand gegeben. Aber nein, sorry, meine Lieblingsfarbe war ja Grau. Oder war es Schwarz? Mensch, jetzt habe ich es vergessen. Ok, ich werde jetzt mal mein Verständnis für Dialektik neu schulen, Adorno lesen, und dann sag ich euch, wie alles ist. Vorausgesetzt natürlich, ihr wollt es nicht wissen. Aber egal. Fatma Aydemir hat es absolut drauf. Alles gut. Gibt’s das eigentlich?

Fatma Aydemir. Dschinns
Hanser Verlag
ISBN 978-3-446-26914-9

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